Kurz vor dem Passahfest in Jerusalem. Es heißt: Jesus wird in die Stadt kommen – von vielen Menschen so sehr erhofft, von vielen anderen voller Feindschaft befürchtet.
Johannes hat es in seinem Evangelium (Johannes 12,12-19) aufgeschrieben, ich erzähle die Geschichte weiter.
Am nächsten Tag verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer durch die ganze Stadt; Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Seine Freunde würden ihn begleiten und sogar viele Frauen wäre dabei. Wie lange hatten so viele schon darauf gewartet – die Hoffnungen auf Jesus waren groß! Wunder wurden von ihm erwartet, gerade jetzt!
Einer der Pharisäer, der zuschaut:
Sie hatten mir es ja nicht geglaubt, meine Freunde aus unserem Kreis der Pharisäer. Dass Jesus sich in die Stadt wagen würde – niemals, hatten sie behauptet. „Das traut er sich nicht.“ Jetzt haben wir den Ärger! Ich muss unbedingt hingehen und sehen, was da geschieht!
Es war eine begeisterte Menge, die am Wegesrand stand: Neugierige, Männer, Frauen und selbst Kinder. Sie drängten sich auf den schmalen Trampelpfad, der vom Ölberg in die Stadt führt, eng war es und staubig. Am Stadttor hatten sich die Bettler versammelt, Blinde und Lahme; sie streckten die Hände nach Jesus aus. Sie alle hofften auf seine Hilfe.
Pharisäer:
Es ist genau das eingetreten, was wir Pharisäer befürchtet hatten! Eine riesige Menschenmenge läuft diesem falschen Propheten nach. Aufruhr, Revolution, Unruhen! Der Frieden in der Stadt ist in Gefahr! Wir müssen das wieder in den Griff kriegen, sonst wird der römische Stadthalter seine Soldaten schicken und den Aufruht gewaltsam beenden. Wir brauchen eine Krisensitzung, müssen sofort klären, was wir jetzt tun können.
Immer mehr Menschen strömten zusammen. Sie breiteten ihre Kleider auf dem staubigen Weg aus und Palmzweige; sie jubelten und tanzten als Jesus auf seinem Esel durch das Tor ritt. Und ein einziger, riesiger Chor rief: Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hosianna, dem König Israels! Erbarme dich!“
Pharisäer:
Unglaublich, schockierend – jetzt machen sie diesen Wanderprediger auch noch zum König, zum Retter, zum Messias! Das ist Gotteslästerung! Ich habe es immer und immer wieder gesagt! Wir Pharisäer sind gefordert – wir müssen die Gesetze retten, wir müssen unseren Glauben verteidigen! Jetzt muss Schluss sein mit diesem Aufruhr und mit diesem Mann! Irgendwas müssen wir tun!
Grenzenloser Jubel empfängt den, der hier einzieht. Eine Menge, die außer Rand und Band ist, die sich heiser schreit vor Begeisterung. Jeder will ihn sehen, ihn bestaunen. Jesus in Jerusalem!
Schon feiern sie ihn als den Messias, den Erlöser. Jesus aber nutzt die Gunst der Stunde nicht. Dabei könnte er doch eine begeisternde Ansprache halten, Stimmung machen gegen die Römer.
Aber nichts dergleichen geschieht. Die Sehnsucht der Jerusalemer nach dem Superstar, der ihre Wunschträume erfüllt, verpufft.
Aber nichts dergleichen geschieht. Die Sehnsucht der Jerusalemer nach dem Superstar, der ihre Wunschträume erfüllt, verpufft.
Wehe dem, der hohe Erwartungen nicht erfüllt! Jesus bekommt sofort die Konsequenzen zu spüren. Die Stimmung kippt, wendet sich gegen ihn. Begeisterung schlägt in Enttäuschung um. Liebe in Hass.
Enttäuschte Erwartungen gibt es überall: Freundschaften und Beziehungen zerbrechen, weil aus Zuneigung Feindschaft geworden ist; weil Menschen zu viel voneinander erwartet haben, weil jemand sich bitter getäuscht und enttäuscht fühlt.
Auch in der Politik, in der Wirtschaft, am Arbeitsplatz oder im Sport. Auch da gilt wie überall: Wehe dem, der die Erwartungen nicht erfüllt! Er wird "abgesägt", hinausgeworfen.
Und was ist, wenn Gott unsere Erwartungen enttäuscht? Geben wir ihm dann auch den Laufpass? Jagen wir ihn dann auch davon, weg aus unserem Leben?
Die Geschichte vom Einzug in Jerusalem erinnert daran: Gott ist nicht so, wie wir ihn gerne hätten. Wir können nicht über ihn verfügen. Er erfüllt nicht immer unsere Erwartungen oder sogar Ansprüche. Er hat eigene Pläne, die wir nicht immer verstehen.
Aber eines ist sicher: Gott kommt zu uns, will uns nahe sein, meint es gut mit uns und unserem Leben. Vielleicht schaffen wir es darauf zu vertrauen.
Amen