Vor langer, langer Zeit im fernen Ägypten. Der kleine Jehoschua und seine Familie leben in einer Lehmhütte. Jeden Morgen müssen sie früh raus. Vor dem ersten Sonnenschein, um rechtzeitig auf der Baustelle zu sein. Der Pharao verlangt es so. Ungeachtet der hohen Temperaturen oder trockenen Luft, die beim Schleppen der schweren Steine so sehr im Hals kratzt.
Was Jehoschuas Vater verdient, reicht soeben, um die Familie zu versorgen, hier und da die gröbsten Löcher im Dach zu reparieren und einmal die Woche Fleisch in der Schüssel zu haben. Ab und an trifft sich Jehoschuas Vater mit anderen Erwachsenen. Er kann es aus seiner Kammer heraus hören. Sie unterhalten sich darüber, wie unglücklich sie sind. Mit dem Pharao, mit ihren Vorgesetzten, mit ihren Partnern, mit ihrer Gesamtsituation. Am nächsten Morgen findet Jehoschua oft genug die leeren Bierhumpen noch auf dem Tisch.
Dann schien es, als würde sich alles ändern. Ein vielversprechender Mann mittleren Alters spricht von Freiheit. Es gibt viel Rummel und ehe sie sich versehen, sind sie mit Sack und Pack unterwegs in die Freiheit. Eine beeindruckende Menge an Menschen hat dieser vielversprechende Mann namens Mose da gesammelt mit dem Versprechen, dass alles besser wird.
Sie machen sich auf den Weg, begegnen allerlei Feinden und tatsächlich schlagen sie die ersten Schlachten erfolgreich. Das Gefühl morgens aufzustehen und sein eigener Herr zu sein ist für die allermeisten fantastisch.
So geht es eine ganze Zeit lang gut. Doch irgendwann ist auch die Freiheit zum Alltag geworden. Jehoschua, lange kein Kind mehr, fragt sich, wann sie denn endlich ankommen. An diesem Ort, der Ihnen so lange versprochen worden ist. Das gelobte Land, dessen Name Abends an den Feuern geflüstert wird: Kanaan.
Er glaubt nicht mehr wirklich daran, es zu erleben. Manchmal stellt er sich schon vor, wie es wäre unter einem Dattelbaum in diesem Land zu sitzen. In der einen Hand eine Wabe frischen Honigs, in der anderen noch warme Milch. Doch es ist anders mittlerweile. Der Weg ist ihr Leben. Das Ziel nur noch eine vage Phantasie. Der Alltag wurde immer weniger Abenteuer und mehr und mehr anstrengend. Es fallen nicht nur ihm immer mehr nervige Kleinigkeiten auf. Klar. Essen haben Sie, aber es hängt ihnen zum Hals raus, immer nur das Gleiche zu essen. Klar, es stillt den Hunger, aber so richtig satt macht es schon lange nicht mehr.
Eines Abends am Feuer findet er sich plötzlich in der Rolle seines Vaters wieder. Sie mussten einen Umweg machen, mitten durch den heißesten Teil der Wüste. Einen Ort, an dem es auch aufgrund der wilden Tiere und Schlangen lebensgefährlich werden konnte. Die Seele des Volkes ist mürbe geworden. Er sitzt mit den anderen am Feuer und sie fangen an zu schimpfen, während die Bierkrüge kreisen. Über ihren Anführer, Mose, über die Löcher im Zelt, ihre Partner und Partnerinnen und dass sie schon so lange kein Fleisch mehr hatten. Als einer genug Mut und Empörung getankt hatte, steht er auf, schwankt zu Mose herüber, packt ihn am Arm und brüllt ihn an: „Wozu hast du uns aus Ägypten herausgeführt? Sollen wir in der Wüste sterben? Nicht einmal Brot und Wasser gibt es hier. Wir ekeln uns vor dem schlechten Essen!“ Wut-Israeliten. Keine Perspektive, keine Hoffnung. Keine Vision. Nur Wut und Müdigkeit.
Die Israeliten sind so darauf konzentriert, sich selbst zu bedauern und unproduktiv zu schimpfen, dass sie nicht mehr aufmerksam sind für die Gefahren, die sie umgeben. In einer lebensbedrohlichen Umwelt, den Blick immer nur in die Vergangenheit wandern zu lassen, um dort Lösungen zu finden für die Zukunft hilft nichts. Es versperrt ihnen nur den Blick für das Hier und Jetzt.
Und als die ersten sterben. Da erinnern Sie sich, wen sie um Hilfe bitten konnten. Den, den sie so verächtlich beschimpft haben.
Bei Jehoschua setzt das Denken wieder ein. „Vielleicht liegt es ja auch nicht an allen anderen. Vielleicht habe ich ja etwas verkehrt gemacht.“ Aber woher Hoffnung nehmen, wenn man selbst keine mehr hat? Er wendet sich an den, der ihnen schon einmal half aus der Gefangenschaft zu entkommen. Damals war es eine Gefangenschaft von außen. Er wendet sich an Gott. Und wer könnte besser geeignet sein, mit Gott zu reden, als der, der ihn von Angesicht zu Angesicht gesehen hat? Mose.
Also spricht er zu Mose: „Wir haben Unrecht getan, als wir so mit dem HERRN und mit dir geredet haben. Bete zum HERRN, dass er die Schlangen von uns fortschafft!“ Das scheint ihm jedenfalls das Naheliegendste. Gott möge die Gefahr doch bitte beseitigen. Aber Gott überrascht sie alle.
Über Nacht hört man lautes Hämmern und zischen aus Moses Zelt. Rauch steigt aus dem Abzug und hinter den Zeltwänden sieht man es rötlich glimmen.
Mose muss wohl die ganze Nacht durchgearbeitet haben. Am nächsten Morgen kommt er mit einer Fahnenstange aus dem Zelt. Er hat sie aus dem Armeebestand entliehen. An seiner Spitze prangt eine Armdicke bronzene Schlange. Alle Augen folgen ihm, als er in die Mitte des Lagers schreitet, sie mit Schwung in den Boden stößt und proklamiert: „So hat Gott es mir aufgetragen: Jeder, der von einer Schlange gebissen wurde, soll seinen Blick aufrichten und die Schlange ansehen. Dann wird er am Leben bleiben.“
Jehoschua kommt ins Grübeln: „Warum vernichtet Gott nicht einfach die Schlangen?“ fragt er sich. „Dann wäre die Gefahr doch gebannt.“ Man sieht es ihm wohl deutlich an, was er denkt. Jedenfalls wendet sich sein alter Vater zu ihm. „Weißt du Jehoschua. Wenn ich eins gelernt habe, auf unserer langen Reise, dann das: Es wird immer Gefahren geben. Selbst, wenn Gott all die Schlangen aus dem Lager vernichtete, würden bereits morgen neue unter den Steinen hervorkriechen, sich unbemerkt ins Lager schleichen und töten. Wilde Tiere könnten unsere Vorräte fressen, die Sonne unbarmherzig die letzten Früchte verdorren. Gott zeigt uns seine wahre Macht. Er macht das Gift der Schlangen wirkungslos. Er ist stärker als der alles zersetzende Zweifel. Aber er erinnert uns auch daran, dass es auf uns selbst ankommt. Wir müssen den Kopf heben. Der Gefahr ins Auge schauen. Sie benennen. Die Schlange da oben auf der Fahnenstange, sie erinnert uns daran, dass Gott Macht hat über alle Gefahren. Er setzt ein Zeichen mitten in unser Lager, mitten in unser Leben, unseren Alltag, damit wir daran erinnert werden, den Kopf zu heben, ihm zu vertrauen. Er schenkt uns das, aber es braucht eben auch unsere Mitwirkung. Die Hinwendung zu unserem Problem und dem, der bei den Problemen an unserer Seite ist. Habe Hoffnung und Vertrauen. Dann wirst du oder mindestens die Generation nach dir in das verheißene Land einziehen.“
Heute, viel, viel später. Du bist schon aufgebrochen aus deiner ganz eigenen Gefangenschaft. Aus dem, was dich unfrei machte. Die ersten Schritte bist du schon gegangen. Was das in deinem Leben ist, weißt du am besten. Wenn die ersten Probleme auf deinem Weg kommen, dann werden auch Zweifel kommen. Da wird diese leise Stimme in dir sein, die sich nach der „guten alten Zeit sehnt“. Tief drinnen, weißt du, dass diese Zeit nicht gut war, aber das Altbekannte ist doch so verlockend, weil es vertraut ist. Es ist vertraut, aber eben auch ohne Freiheit. Verliere nicht die Hoffnung. Du bist außersehen, diesen Weg zu gehen. Nur du kanns das, was Gott mit dir vorhat. Ja, du machst Fehler. Das Vertrauen in Gott, in deinen Weg, deine Vision, es wird verloren gehen. Aber der Clou ist: Du kannst jederzeit um Verzeihung bitten, dich von deinem Irrweg abwenden und dich Gott wieder zuwenden. Zweifel sind normal, aber sie sollten nicht dein Leben bestimmen, dich nicht von deinen Zielen abbringen lassen. Jederzeit kannst du bei Gott Hoffnung und Zuversicht tanken. Denn er hat mit Jesus am Kreuz ein ewiges Feldzeichen aufgestellt, dass uns daran erinnert: Er ist die Hoffnung, er hat die Macht über alles, selbst den Tod, er ist der Todesüberwinder. Er bewahrt nicht vor der Gefahr, sondern in der Gefahr. Er ist immer da. Für dich.
Amen
4. Mose 21,4-9
Die Israeliten zogen vom Berg Hor4. Mose 21,4-9
weiter in Richtung Schilfmeer.
Dabei nahmen sie einen Umweg um das Land Edom herum.
Das Volk aber wurde auf dem langen Weg ungeduldig.
Die Israeliten beklagten sich bei Gott und bei Mose:
»Wozu hast du uns aus Ägypten herausgeführt?
Sollen wir in der Wüste sterben?
Nicht einmal Brot und Wasser gibt es hier.
Wir ekeln uns vor dem schlechten Essen!«
Darauf schickte der Herr Giftschlangen zum Volk.
Viele Israeliten wurden gebissen und starben.
Das Volk kam zu Mose und bat:
»Wir haben Unrecht getan,
als wir so mit dem Herrn und mit dir geredet haben.
Bete zum Herrn, dass er die Schlangen von uns fortschafft!«
Daraufhin betete Mose für das Volk.
Der Herr antwortete Mose:
»Fertige eine Schlange aus Bronze an
und stecke sie auf ein Feldzeichen.
Jeder, der gebissen wurde, soll sie ansehen.
Dann wird er am Leben bleiben.«
Da machte Mose eine Schlange aus Bronze
und steckte sie auf ein Feldzeichen.
Und tatsächlich: Wer gebissen worden war
und die Bronzeschlange ansah,
blieb am Leben.