Hungrig
Elija steht wie kein Zweiter für die gute Sache ein. Er weiß, was gut ist. Er weiß, was es braucht, damit sich die Dinge ändern. Keine Furcht ist in ihm. Kein Zittern seiner Hände. Kein Krampfen in seinem Bauch. Kein Zweifel. Mit Stolz geschwellter Brust betritt er die Stufen, die zum Palast hochführen. Vielleicht macht er nicht allzu viel her. Aber das stört ihn nicht. Er wird „Denen-da-oben“ schon ordentlich die Meinung geigen. Mit jeder Stufe, die ihn näher zum Palasttor trägt, steigt sein Selbstbewusstsein. Nein, die Meinung geigen reicht nicht. Er weiß etwas noch Besseres. Er lässt sie von ihrer eigenen Medizin schmecken. Sie sollen erfahren, was es für Konsequenzen hat, wenn man sich mit ihm, mit Gott, mit dem Kämpfer für das Gute anlegt. Leiden sollen Sie! So lange, bis er es beendet. So lange, wie er es für richtig hält. Bis sie endlich ihre Lektion begriffen haben.
Dann endlich steht er vor dem König!
Elija, ein Tischbiter aus Tischbe in Gilead, kündigte Ahab an: „So gewiss der HERR, der Gott Israels, lebt, in dessen Dienst ich stehe! Es wird in diesen Jahren weder Tau noch Regen geben – es sei denn, dass ich es befehle.“
„Vorsicht Elija. Du kannst die beste Sache der Welt vertreten. Aber mache Gott nicht zu deiner Hure! Nicht du bestimmst, wer stirbt! Ach, hättest du nur etwas besser über die Konsequenzen nachgedacht.“
Den Mund zu voll genommen
Nachdem er Ahab das vor den Latz geknallt hat, macht er auf dem Absatz kehrt. Er lässt den vollkommen verdatterten König einfach stehen. Leicht benommen von seinem Mutausbruch bekommt er kaum mit, wie seine Füße ihn die lange Treppe herunter und in die Stadt tragen. Als er um eine Häuserecke bog, traf es ihn, wie ein Schlag. Was hatte er da gerade getan? Nach Luft schnappend lehnt er sich an die nächste Häuserwand. Erstmal einen klaren Kopf bekommen. Hat er wirklich gerade dem Befehlshaber über tausende Truppen gedroht? Einem Mann, der mit einem Fingerschnipsen Leben beenden kann? Und das, ohne klaren Auftrag von seinem Gott?
Danach kam das Wort des HERRN zu Elija: „Geh weg von hier in Richtung Osten! Versteck dich am Bach Kerit, der in den Jordan fließt! Aus dem Bach kannst du trinken. Den Raben habe ich befohlen, dich dort zu versorgen.“ Da ging er los und tat, was der HERR befohlen hatte. Er ging und setzte sich an den Bach Kerit, der in den Jordan fließt.
„Ach Elija, was machst du nur wieder? Jetzt hast du es auch verstanden, oder?“
Schluck deinen Stolz herunter…
Da hat er sich ja ganz schön was eingebrockt. Verstecken in der Wüste, weil er so eine große Klappe hatte. Kein Mensch in Sicht. Das ist gut, denn Menschen bedeuten Gefahr. Sie könnten ihn verraten. Bestimmt hat der König längst ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Ja, keine Menschen um sich zu haben war gut, aber auch einsam. Er langweilte sich. Dafür gab es dort mehr als genug Raben. Unglücksboten. Am Anfang dachte er, sie kreisen um ihn und warteten darauf, dass er endlich krepiert. Aasfresser. Unreines Federvieh. Ekelhaft. Aber hin und wieder ließen sie etwas fallen. Manchmal altes Brot, manchmal ein paar Brocken Fleisch. Er wollte nicht wissen, wo das herkam. Aber wer hungrig ist, darf nicht wählerisch sein. Dahin hat ihn also sein Stolz und sein Hochmut geführt. Er jagte den Raben das Futter ab. Da half es auch nichts, dass er dachte für die richtige Sache zu kämpfen. Zum Glück hatte er genug zu trinken. Ein Bach führte auch in der Dürre, die er heraufbeschworen hatte Wasser. Aber von Tag zu Tag konnte er beobachten, wie die Wassermenge abnahm. Bald war er nur noch ein dürres Rinnsal. Die Dürre, die Folge seiner Entscheidung, hatte ihn auch hier in der Isolation eingeholt und betraf ihn jetzt selbst. Bald würde der Bach ganz versiegen und Elias Lebenswille mit ihm.
Morgens und abends brachten Raben ihm Brot und Fleisch. Trinken konnte er aus dem Bach. Aber nach einiger Zeit trocknete der Bach aus, denn es gab keinen Regen im Land. Da kam das Wort des HERRN zu Elija: „Auf, geh nach Sarepta, das bei Sidon liegt! Bleib dort! Denn ich habe einer Witwe befohlen, dich dort zu versorgen.“
„Da sitzt du und wartest auf den Tod, du trauriger Rest deines früheren Selbst. Aber keine Angst, Gott hat dich nicht vergessen!“
… und lass dir helfen
Nach seinem Marsch durch die Einöde ist Elija schwer am Ende. Die letzten Monate haben Spuren hinterlassen. Der Blick verschwommen, die Augen huschen unstet hin und her. Die Schritte schleppend. Ist das wieder eine Fata Morgana? Spielt sein ausgedörrter Geist ihm schon wieder einen Streich? Nein, da sind tatsächlich Stadttore und vor den Toren bückt sich eine schwarz gekleidete Gestalt immer wieder. Bevor sie ihn erblicken kann, versteckt er sich hinter einem ausgetrockneten Gebüsch. Menschen bedeuten Gefahr! Er kann beobachten, wie sie dürre Zweige vom Boden aufliest und sie in ihrer Armbeuge deponiert. Eine Frau. So weit ist es gekommen. Gestern noch im Palast ein und aus gegangen und dem König die Leviten gelesen, heute angewiesen auf die Hilfe von anderen. Ausgerechnet eine Witwe, die hat doch selbst nichts. Widerwillig schluckte er seinen Stolz herunter und machte sich innerlich bereit sie anzusprechen. Er konnte nicht mehr. Ein letzter Versuch. Er brauchte die Hilfe, sonst ist er tot. Er trat aus seinem Versteck.
Elija sprach sie an und sagte: „Hol mir doch bitte einen kleinen Krug mit Wasser. Ich möchte etwas trinken.“ Als sie wegging, um es zu holen, rief er ihr nach: „Bring mir doch bitte auch ein Stück Brot mit.“ Da antwortete sie: „So gewiss der HERR, dein Gott, lebt! Ich habe überhaupt keine Vorräte mehr. Nur noch eine Handvoll Mehl ist im Krug und etwas Öl in der Kanne. Ich wollte gerade ein paar Hölzchen sammeln, wieder heimgehen und etwas aus den Resten backen. Mein Sohn und ich wollten noch einmal etwas essen und danach sterben:“
„Sie sieht dich, Elija. Sie sieht dein Elend. Aber sie hat doch selbst nichts. Alles hat sie verloren, sogar die Hoffnung. Wie sollte sie dir schon helfen? Außerdem: Schau dich doch an. Wie du aussiehst! Du machst ihr Angst!“
Gott sorgt für dich!
Angst ist kein guter Ratgeber. Das weiß Elija. Seine Furchtlosigkeit und sein Dickkopf hatten ihn weit gebracht, aber eben auch in diese Lage. Schnell. Ihm muss doch etwas einfallen. Was kann er gut? Reden kann er gut und aus irgendeinem Grund scheint Gott ihn nicht im Stich zu lassen. Seine Dürre-Drohung hat er wahr werden lassen. Er hat ihn rechtzeitig fliehen lassen. Er hat Raben geschickt, damit er wenigstens das Dürftigste zum Überleben hatte und schließlich hat er ihn auch hierhin geführt. Schnell. Sag etwas. Bestimmt wird Gott ihm auch diese Bitte nicht abschlagen. Vor allem dann, wenn es dem Leben einer Unterdrückten dient. Damit rettet er drei Leben auf einmal. Also sprich schon, bevor sie weg ist:
Da Sprach Elija: „Fürchte dich nicht! Geh nur und tu, was du gesagt hast. Aber mach zuerst für mich ein kleines Brot und bring es zu mir heraus. Danach kannst du für dich und deinen Sohn etwas backen. Denn so spricht der HERR, der Gott Israels: Der Mehlkrug wird nicht leer werden, und die Ölkanne wird nicht versiegen. Das wird so bleiben bis zu dem Tag, an dem der HERR wieder Regen schenkt und es auf den Ackerboden regnen wird.“
Sie ging los und tat, was Elija gesagt hatte. Und tatsächlich hatten sie alle drei zu essen: Elija, die Frau und ihr Sohn, Tag für Tag. Der Mehlkrug wurde nicht leer und die Ölkanne versiegte nicht. So hatte es der HERR durch Elija gesagt.
„Gott verlässt dich nicht Elija. Du musst die Konsequenzen deines Handelns tragen, ja. Das ist der Preis des freien Willens. Aber sei gewiss: Er wendet auch deine schlechten Entscheidungen zu etwas Gutem.“
Amen