Auf der Suche nach dem Morgenstern - Gottesdienstimpuls von Stefanie Schelp für den letzten Sonntag nach Epiphanias

Fri, 29 Jan 2021 23:00:01 +0000 von Tobias Patzwald

Geistlicher Impuls  von Stefanie Schelp 
für Sonntag den 31.1.2021, letzter Sonntag nach Epiphanias

Lied Nr.: 346, Such wer da will ein ander Ziel

Ich möchte heute auf die Suche nach dem Morgenstern gehen. 
Vielleicht habt ihr ja Lust, mich dabei zu begleiten. 
„Den Morgenstern suchen? Was soll das denn?“ Wahrscheinlich denkt ihr das. Und zudem: „Es ist ja auch schon Tag.“ Stimmt. Es ist schon Tag, aber das macht nichts. Man kann mit der Suche zu jeder Zeit beginnen. 
„Aber es ist auch nicht die richtige Jahreszeit“ könnte man einwenden. 
„Wir hätten uns mit den Weisen aus dem Morgenland auf den Weg machen sollen.“ Auch die Jahreszeit ist kein Problem. Weise geben sich zu jeder Zeit der Suche hin. „Ja, aber wenigstens sollte der Himmel klar sein, sonst kann man ja nichts sehen“ mögt ihr denken. Aber auch das Wetter und ein verhangener Himmel werden uns nicht aufhalten. Denn wir werden den Morgenstern nicht am schwarzen Himmel suchen. Aber lasst uns trotzdem für einen Moment ins Dunkel schauen. Dafür schließt für eine kleine Weile eure Augen… 
Ich weiß nicht, ob ihr etwas gesehen habt. Bei mir geht sofort das Kopfkino an. Alle möglichen Bilder tauchen auf, allerdings nicht vom Morgenstern. 
Dazu Stimmen. Viele Stimmen. Es ist einiges los in meinem Kopf.
Was findet in eurem Kopf statt? 
Hört und seht nochmal einen Moment hin… 
In meinem Kopf tauchen Bilder des Tages auf. Aber auch Bilder aus der Vergangenheit und der Zukunft. Es sind Bilder von Erlebtem. Von allen möglichen Situationen, die ich in Gedanken noch einmal rekonstruiere und durchspiele. Aber auch Phantasien und in Büchern Gelesenes oder im Fernsehen Gesehenes taucht auf. Zu diesen Bildern viele Stimmen. Manche laut, andere leise, kaum wahrnehmbar. Etliche davon kann ich als meine eigenen identifizieren. Zum Beispiel die Stimme meines inneren Kritikers, der sehr oft mit von der Partie ist. Er bewertet unaufhaltsam Geschehens, wie auch mein Verhalten, meine Gedanken und meine Gefühle: zu aggressiv, nicht nett genug, ein bisschen dumm, zu ungeduldig- so in etwa seine Kommentare.
Dann gibt es die Stimme der kleinen Stefanie, die sich zaghaft meldet und Angst hat, nicht genug geliebt zu werden. Manchmal aber auch gelangweilt ist von zu vielen, ernsten, erwachsenen Beschäftigungen und Kommentare liefert wie:  
„ich will nicht, ich habe keine Lust, ich will lieber… zum Beispiel einen flotten Galopp auf dem ungesattelten Pony wagen anstelle von Büroarbeiten.
Neben den Stimmen meiner Gedanken, die ich als meine eigene identifizieren kann und die in steter Kommunikation miteinander sind, gibt es auch fremde Stimmen in mir. Die meiner Mutter, meiner Freunde, meiner Lehrer und Stimmen, die ich gar nicht zuordnen kann. Alles zusammengefasst: es ist viel los in mir. Und in euch vermutlich auch. Wir sind vollkommen ausgefüllt. 
Aber nicht im Sinne von innerer Fülle, innerem Reichtum. Im Grunde ist es in unserem Inneren wie auf einem großen Jahrmarkt: viel Durcheinander, viel Gewusel, sehr laut. Wir werden getrieben und bestimmen die Richtung oftmals gar nicht wirklich selbst. Das merken wir, das merke ich allerdings meistens gar nicht. Es fällt mir im Alltag nicht auf. Denn dafür müsste ich mich nach innen wenden. In der Regel bin ich aber im Außen beschäftigt. Ich arbeite und meine Freizeit ist auch gut ausgefüllt mit allerlei Beschäftigungen.
Jetzt ist es natürlich gerade etwas anders. Durch Corona sind die Kontaktmöglichkeiten eingeschränkt und Freizeitgestaltung mit Kino, Konzert und Restaurant fällt flach. Es gibt deutlich weniger Möglichkeiten für Zerstreuung und für Bedürfnisbefriedigung von außen. Die kleinen Glücks-momente, die entstehen, wenn ich die leckere Pizza beim Italiener genieße
oder mir eine schicke neue Jeans kaufe, entfallen. 
Deshalb: es wird dringend Zeit, den Morgenstern zu suchen. 
Denn das wollten wir ja.
Der Morgenstern: er strahlt klar. Er strahlt rein. Er strahlt hell. 
Ist Licht am Ende einer dunklen Nacht. 
Bedeutet Hoffnung. Verheißt Erlösung. 
Der Morgenstern weist den Weg: Licht- Leben- Liebe.  
Unabhängig der Tageszeit, der Jahreszeit.   
Unabhängig von jedem Weltgeschehen.    
Jenseits der Bilder und Stimmen in meinem Kopf. 
Ich gehe los. Ins Dunkel hinein.
Vertrauensvoll und geduldig.
Ich schließe meine Augen.  
Die Bilder, die Stimmen, da sind sie wieder.  
Doch dieses mal ignoriere ich sie.  
Ich atme. Ich bin.
Ich atme. Ich bin.
Meine Aufmerksamkeit will den Sinnen folgen. Ich lasse es nicht zu. 
Ich atme. Ich bin.                                                                                                                      
Meine Aufmerksamkeit will nach Gedanken greifen.
Ich gehe diesen nicht nach.
Ich atme. Ich bin.   
Ich bin. Ich bin gewahr. 
Gewahr sein. 
Gedanken kommen, Gedanken gehen, sie fließen vorbei.
Aber ich- ich bin.
Ich bin.
Stille - sein- Friede - sein- Licht – sein – Freude- sein.
Gedanken kommen.
Und reißen mich heraus. Nehmen neu Besitz von mir
Mein Kritiker fängt sofort an, das eben Erlebte klein zu reden.
Das Kind in mir will es bewahren. 
Verschiedene andere Stimmen steuern ebenfalls Kommentare bei.
Aber etwas in mir lässt sich davon nicht beirren.
Denn ich weiß: ich bin nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt.
Und auch sie wussten es:

Wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit mit eigenen Augen gesehen. Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge. Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.“ 2. Petrus 1, 16-19

Ich werde dranbleiben. Bis das der Morgenstern aufgeht.
Aufgeht in meinem Herzen. Und nicht wieder erlischt.
Und das wünsche ich auch euch:
dass ihr auf der Suche bleibt, bis das der Morgenstern
in euren Herzen leuchtet.
                                      

                                             Eure Stefanie Schelp

 

 

Gebet

Gott der Liebe
du kommst in unsere Dunkelheit,
und deine Gegenwart
entzündet in uns eine Flamme. 
Nicht wir schaffen diese Quelle des Lichts,
sondern dein Geist,
der zutiefst in uns wohnt.
Amen                                                                                                                             

(nach Pater F. Roger)

 

Lied Nr.:70,
Wie schön leuchtet der Morgenstern
Quelle: Kajetan Sumila on Unsplash
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